Zuletzt am 26. Juli 2022 aktualisiert
Nach unserer Niederlage gegen die Vierte von SW Nürnberg Süd war unsere Favoritenrolle erst mal flöten und so ein sechster Platz ist gar nicht schön. Zeit zum Verschnaufen sollte es vor Weihnachten auch nicht mehr geben – zur 3. Runde bekamen wir das nominelle TOP10-Schwergewicht, die SF Fürth zu Gast. Und ganz nach Gewohnheit gerade gegen uns mit einer ihrer besten Aufstellungen – im Gegensatz zu den beiden Vorrunden, in denen sie ohne Nummer 1-3 antraten, war diesmal Nummer 1 und Nummer 3 da.
Aber auch wir zauberten ersatzgestärkt DWZ aus dem Hut: Mit Thomas Roß und David Denninger (Thomas mit fast 1900 DWZ ein Edeljoker, David mit sehr erfolgreicher Bilanz in der Ersten) als Ersatz für Dr. Reinmar Killmann und Sandra Roß waren wir bereit für die Frage: Müssen wir die Aufstiegsträume vorzeitig begraben oder dürfen wir uns zu Weihnachten was wünschen?
Die SF Fürth waren in den letzten beiden Jahren ein guter Kunde und wir erzielten jeweils einen souveränen 6:2- und 5:3-Sieg. Von dem Wort “souverän” war diesmal aber nicht wirklich irgendwas zu spüren und obwohl wir bereits um kurz nach 6 fertig waren, “hoch” ist eben nicht das gleiche wie “souverän”…
Fangen wir am Anfang an, als wir verspätet starteten bzw. Kapitän Dennis Adelhütte an Brett 2 sogar erst nach 30 Minuten – die zuletzt etwas glücklos agierende Queen wartete (un-)geduldig auf ihren Gegner und wurde freudig überrascht, als auf sein 1.d4 ein 1…f5 kam. Zack, 2.Lg5! Die Freude verpuffte bei Sf6 dann ganz schnell wieder, denn nix mit Brett anzünden war geboten – es sollte eine ruhige, positionelle Partie mit jeweils einem Doppelbauern werden, ohne großes Federlesen.
Gleiches ließ sich auch an Brett 7 bei Thomas behaupten, welcher in einer Aljechin-Eröffnung bereits im 5. Zug die Damen tauschte und ebenfalls eine sehr ruhige Partieanlage anstrebte.
Beim ganzen Rest war davon nix zu spüren – Königsindische “Verteidigung” an Brett 5, Königsindischer “Angriff” auf Brett 1, Schottisch an Brett 6, Londoner System auf Brett 8, Sizilianisch an Brett 4 und eine nicht sehr entspannte Variante des Damengambits auf Brett 3: So lasen sich die gebotenen Eröffnungen an den übrigen Brettern und von Entspannung war da wirklich nix zu sehen. Am glattesten war da noch Davids Partie an Brett 8, welche sich lediglich mit dem Problem auseinandersetzen musste, dass David sich sein Läuferpaar gegen das Springerpaar abnehmen ließ und seine Springer obendrein nicht wirklich aktiv wurden.
Bei Dominik Bachhuber an Brett 6 lief die Eröffnung auch nicht optimal. In besagtem Schotten verzichtete er auf die lange Rochade, welche wohl unbedingt nötig gewesen wäre – stattdessen machte er sich selber durch einen frühen Vorstoß des f-Bauerns einen schwachen e-Bauern (ein rückständiger Bauer auf e4 hat so seine Tücken). Nicht viel später kam er auch in ganz ordentliche Probleme, da der Gegner mal recht hübsch hätte die Dame “opfern” können, um in folgende Stellung zu kommen:
Hübsch, oder? Hier will die Engine schon die Dame per Dxd4 oder Dxe4 opfern, so “daneben” ist die Stellung bereits. Der Gegner nahm die Möglichkeit aber nicht wahr bzw. unterschätzte sie und nahm lediglich eine ausgeglichene Stellung mit Damentausch mit.
Dennis vergaloppierte sich nun ein bisschen und anstatt seinen Doppelbauern Doppelbauern sein zu lassen, hätte er im Zentrum nach vorne stürmen müssen. Als er dies nicht tat, kippte die Stellung nach ein paar Ungenauigkeiten in den Ausgleich und der Gegner bot Remis, als Dennis sich schon fast gezwungen sah, einen Bauern zu opfern. Annehmen oder nicht, was tun? Beim Rest war nämlich einfach nix klar:
Seba Kraus bereitete sich sehr sorgfältig auf seinen Gegner vor, blitzte die ersten 20 Züge inklusive Figurenopfer einfach herunter und stand auch sehr, sehr gut:
Dann kam aber etwas typisches für Vorbereiter: Spielt man so lange nach Vorbereitung muss man auf einmal in den Selbstspielmodus umschalten und das ist gar nicht so einfach. Schwupps musste man selbst gewinnen und schwupps sah es so aus, als ob der Gegner sich hätte befreien können aus der Umklammerung. Und dann, naja: Die Stellung drohte gefährlich zu kippen und plötzlich war überhaupt nicht mehr klar, was passierte.
Ähnlich unklar war es bei Martin Killmann an Brett 1 im königsindischen Angriff gegen den hauseigenen Franzosen – wie üblich griff Weiß ohne Rücksicht auf positionelle Verluste den Schwarzen, hier Martin, an, welcher den Spagat zwischen Verteidigung und positionellem Spiel schaffen musste. Auch hier: Man hatte das Gefühl, es wäre leicht besser zu unseren Gunsten, aber sowas kann sich schnell ändern.
Einzig bei Kristin Braun schien das Unklare klar zu sein: Sie spielte an Brett 5 selbst einen Königsinder, blies gegen die Hauptvariante ordentlich zum Angriff und ließ ihren gesamten Königsflügel gegen den gegnerischen König aufmarschieren, was doch sehr souverän und gut aussah.
Dann war da noch Alex Kittler an Brett 3, welcher, soweit der Autor das im Kopf hat, das allererste Mal in einem Mannschaftskampf nicht 1…c5 spielte, sondern auf 1.d4 ungewohnt ruhig mit 1…d5 antwortete und ein abgelehntes Damengambit zum Besten gab. Nun musste man ganz ordinäres Schach spielen und das schien sich ziemlich böse zu rächen, als der Gegner auf einmal einen ziemlich ätzend aussehenden Hebel in Form von g4 spielte. Sah aber schlimmer aus, als es war und Alex ließ unnötig zu, dass der Gegner sich einen Bauern schnappte, lang rochierte und zum Angriff blies. Liest sich nicht schön – war es auch nicht. Und dann kam auch noch Zeitnot dazu…
Ja, und nun? Alles völlig unklar – und Dennis hatte immer noch sein Remisgebot. Das meiste dieser letzten Absätze passierte innerhalb einer halben Stunde, so unklar war das alles. Drauf und dran, das Remis abzulehnen, doch dann kam auf einmal Thomas: In einem eigentlich remislichen Endspiel hatte sein Gegner einen Blackout und dachte, er würde einen Läufer fesseln. Doof nur, dass der Läufer trotzdem ziehen konnte und den anderen, ungedeckten Läufer schlug… Damit das 1:0 und die plötzliche Führung!
Dennis ließ sich nun nicht nochmal bitten – gerade, da Domi nun auch noch einen Springer einsperren konnte, als der Gegner meinte, einen Bauern schnabulieren zu können. Annahme des Remisgebotes an Brett 2 und erleichtert weg von den 0 Punkten – 1,5:0,5 und ein Remis für die Queen!
Nun sah das ganze doch schon viel komfortabler aus, auch wenn man den Kampf natürlich immer noch gewinnen musste. Und das war so überhaupt nicht klar – während Kristins Stellung immer besser wurde, wurde Davids immer schlechter. Auch Seba schien völlig den Faden zu verlieren und die Stellung wurde weit mehr als nur kritisch. Dafür schaffte Martin seinen Positionsspagat und über einiges Schlagen schien es so, als ob er ein besseres Endspiel für sich erarbeitet hätte.
Und plötzlich kam auch Alex völlig unerwartet in die Partie zurück – der Gegner stand zwar schon auf Gewinn, wusste aber mit der Stellung nichts anzufangen und verbriet sehr viel Zeit, so dass auch Alex auf diese Zeit nachdenken konnte. Obendrein gewann er erst einen Bauern zurück, stand nun sogar besser und griff selbst an, als er sich eine Festung aufbaute. Wiederum nicht viel später setzte er zum Mattangriff, drang mit der eigenen Dame in die gegnerische Stellung ein und gewann eine Figur (dabei übersah er nicht die Falle des einzügigen Matts, welches er mit erhobenem Zeigefinger bemerkte 🙂 ). Was ein wildes Ding – und das 2,5:0,5.
Martin hatte nun sein besseres Leichtfigurenendspiel, dieses war aber nicht ganz einfach zu spielen. Nach einem Remisgebot des Gegners versuchte er noch ein wenig weiter zu kommen, so wirklich gelang dies aber nicht. Mit der 2-Punkte-Führung im Nacken wollte er es dann auch nicht drauf ankommen lassen – 3:1.
Nun sah es doch wieder einigermaßen gut aus – oder? Bei Seba verzogen sich die dunklen Wolken, auch wenn er zwischendurch haarsträubend auf Verlust stand (sagt die Engine), der Gegner seine Chancen allerdings ungenutzt ließ. Aber ist ja auch Sizilianisch, da blickt doch eh kein Mensch durch… Nun schien das Ergebnis wieder völlig offen, auch wenn Seba immer noch seinen Freibauern auf f7 hatte und mindestens ein Remis mehr als wahrscheinlich war.
Und auch bei Domi blieb es beim “Mindestens Remis” – im Endspiel machte er sich das Leben selber ein bisschen zu schwer und gab die Mehrfigur wieder her, um mit den eigenen Bauern am Königsflügel aufzumarschieren (da entstanden dann auch weiße Freibauern auf g6 und h7), bewegte sich dabei zwischendurch aber gefährlich nahe am Ausgleich.
Auch Davids Stellung drehte sich erneut, als der Gegner sein Läuferpaar nicht nutzte, auf einmal die Stellung komplett zu war und die Springer stärker waren. Gerade als David einen letzten Verteidigungszug mit Ka1 hätte spielen sollen, übersah er in beidseitiger Zeitnot, dass sein Springer hing (der deckende Bauer war an den König gefesselt) – auf einmal war er eine Figur hinten und gab sofort auf. Der Anschlusstreffer für Fürth – 3:2!
Würde es nun doch nochmal eng werden? In der letzten Runde gegen Süd hatten wir auch eine sichere Führung mit einer Horde unklarer Partien noch weggeschmissen, das sollte jetzt nicht nochmal passieren…
Die Entscheidung wurde dann im Endeffekt von Kristin geliefert: Sie brachte ihren Angriff nicht richtig zu Ende und fand sich in einer ausgeglichenen Stellung wieder. Auf einmal konnte ihr Gegner am Damenflügel selbst ziemlichen Druck aufbauen (typisch Königsindisch) und er schaffte sich einen Freibauern auf d6, welcher sogar auf d7 watschelte und den Weißen dazu brachte, auf Gewinn zu stehen (Frechheit). Da schlug Kristin mit einem Turm auf f3 ein und obwohl sie sich verrechnete und nicht sah, dass eine Figur weg war, war das genau das richtige: Der Gegner schlug falsch zurück und Kristin konnte nun dreizügig Matt setzen! Was sie auch tat. Taktiktraining und so. Und damit das 4:2 aus unserer Sicht!
Damit war der Kampf praktisch entschieden – sowohl Seba als auch Domi standen mittlerweile klar auf Gewinn. Seba fand den Gewinnweg, als der Gegner Remis bot und nicht viel später konnte er mit einer Reihe von Schächern den Sieg für uns verbuchen. Und auch Domi brachte sein Endspiel erfolgreich zu Ende, auch wenn wohl keiner dachte, dass am Ende sogar ein reines Turmendspiel zu sehen sein wird… 😉
Endstand: 6:2 für die Talente! Halleluja, da brannte es an fast allen Brettern lichterloh und dieser Kampf hätte getrost auch 2:6 ausgehen können. Fortuna hat manchmal auch was für uns übrig… und Kampfgeist macht sich eben doch bezahlt!
Damit überwintern wir mit 4:2 Mannschaftspunkten auf Platz 4 in der Liga – in der nächsten Runde im neuen Jahr geht es gegen den TSV Cadolzburg, welcher mit 5:1 Mannschaftspunkten einen Platz vor uns liegt und uns im letzten Jahr eine empfindliche Niederlage zufügte.
Mit diesem Sieg können wir wieder ein bisschen entspannter an die Mission Aufstieg rangehen, auch wenn wir nach wie vor keine Ausrutscher mehr gut haben, sind wir ja jetzt schon auf Schützenhilfe angewiesen. Trotz allem: Jetzt ist erstmal Advents- und Weihnachtszeit und erst in 6 Wochen geht es in der Liga weiter. Und dann hoffentlich wieder etwas weniger abenteuerlich…
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